Sonntag, 10. März 2013

Ludendorff-Verehrung zwischen "Kunst, Kitsch und Krempel"

Eine Zusammenstellung sehr verschiedenartiger Geschichtszeugnisse

"Kunst, Kitsch oder Krempel", so heißt im Jahr 2013 eine beliebte Radio- und Fernsehserie des "Mitteldeutschen Rundfunks" (MDR). Produziert wird sie in Zusammenarbeit mit Kunsthistorikern. Wie bei Angehörigen regierender Herrscherhäuser oder bei Politikern wie Otto von Bismarck (6), Paul von Hindenburg, des "roten Barons" (von Richthofen) und so vieler anderer Größen und vermeintlicher Größen des politischen Lebens, des Kulturlebens oder auch von sogenannten "Stars und Sternchen" wurde der Verehrung Erich Ludendorffs ab 1914 in allen Bereichen der Sachkultur zwischen "Kunst, Kitsch und Krempel" Ausdruck verliehen. Im Forschungsbereich der Sachkulturforschung werden solche Geschichtszeugnisse nach Qualität und Quantität des Auftretens erforscht.

Als ein Maßstab des Erhaltenswürdigen mag gelten, daß im Jahr 1990 im "Reprintverlag im Zentralantiquariat der DDR" eine Übersicht gegeben wurde über die "Bestände des früheren Bismarck-Museums in Schönhausen (Elbe)". Es stellte noch 1945 für interessierte sowjetische Offiziere seine Fülle von "Kult und Kitsch um den Reichsgründer" aus. Und seine Bestände sind gleich nach der Wende noch im Jahr 1990 erneut der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden (6).

Abb. 1: Postkarte "Der Befreier des Ostens" (Herbst 1914)

Es gibt wohl keinen sachlichen Grund dafür, daß sich ein von Erich und Mathilde Ludendorff testamentarisch vorgesehenes Ludendorff-Archiv in Tutzing, das bis heute fortbesteht, und das im Sinne von Mathilde Ludendorff ganz genauso arbeiten sollte wie etwa das Schopenhauer-Archiv in Frankfurt am Main (dessen Arbeit sie ausdrücklich große Achtung entgegenbrachte), nicht ähnliche Aufgaben stellen könnte wie eine solche, die sich im Jahr 1990 der "Reprintverlag im Zentralantiquariat der DDR" stellte, um eine Dokumentation zusammenzustellen zu "Kult und Kitsch rund um den Reichsgründer".

In dem damaligen Band sind dokumentiert die hölzerne Wiege Bismarcks (6, S. 16), es sind Stühle, Schreibtische, Wohnschränke aus dem Besitz Otto von Bismarcks dokumentiert (6, S. 18, 64f, 98f), es ist sein Arbeitszimmer dokumentiert (6, S. 76), es ist seine Aktentasche dokumentiert (6, S. 27), seine Zigarrentasche (6, S. 33), seine Uniform aus der Schlacht von Königgrätz (6, S. 34), die Schreibfeder, mit der er 1871 den Friedensvertrag mit Frankreich unterzeichnete (6, S. 39). Es sind völkerkundliche Geschenke von Forschungsreisenden aus Afrika dokumentiert (6, S. 81-84), es sind sogar Hundehalsbänder und -freßnäpfchen dokumentiert (6, S. 118). Damit sollen nur einige wenige Beispiele herausgegriffen sind. Es sind auch unzählige zeitgenössische Postkarten dokumentiert mit Fotografien und Zeichnungen von Bismarck und seiner Welt oder mit huldigenden Gedichten auf Otto von Bismarck und seine Taten.

Abb. 2: Postkarte - Die Schlacht an den Masurischen Seen, September 1914

So mag es denn auch nicht ganz nutzlos sein - nachdem in einem früheren Beitrag hier auf dem Blog "Erich Ludendorff im Künstlerportrait" behandelt worden ist - Zeugnisse für die Behandlung Erich Ludendorffs in einem solchen angrenzenden Bereich zusammenzustellen, der eher im Bereich der Trivialkultur angesiedelt ist oder in dem die Übergänge vom einen Bereich zum anderen fließende sein können. Also Darstellungen, bei denen - unter anderem infolge nicht ganz so großer künstlerischer Begabung oder Anspruchshaltung - die Übergänge zum Bereich des Kitsches oder gar des Krempels fließende sind. Auch in diesen Geschichtsdokumenten spiegelt sich ein "Geist der Zeit" wieder. Auch diese Zeugnisse werden ja regelmäßig von Archiven gesammelt, dokumentiert und bearbeitet. Sie können dann auch von dem Historiker zu einer Gesamtbeurteilung mit herangezogen werden. Untersuchungen zum "Kult" rund um Otto von Bismarck oder um Paul von Hindenburg gibt es schon vergleichsweise zahlreiche (z.B.: 1, 6). Parallele über den diesbezüglich ein wenig im Hintergrund stehenden Erich Ludendorff stehen - wie in anderen Bereichen - aus.

Anlaß genug, einen Anfang mit der vorliegenden Zusammenstellung zu machen.

1914 - Ludendorff, der Befreier des Ostens

Die Abbildung 1 scheint schon im Herbst 1914 veröffentlicht worden zu sein. Es handelt sich um eine Postkarte, betitelt "Der Befreier des Ostens". Diese Postkarte wurde in mehreren Varianten heraus gebracht.

Abb. 3: "General v. Ludendorff - Generalstabschef in Hindenburgs Armee - Der Sieger von Lodz" (November/Dezember 1914)

Auf der wohl früheren Variante steht in der Mitte ein noch vergleichsweise junger "Hindenburg". Er ist umrahmt von dem deutschen Kaiser links und von dem österreichischen Kaiser rechts.

Im Vordergrund liegt der russische Bär, den es zu erlegen gilt. Rundherum sind östliche Grenzfestungen und Garnisonsstädte des Deutschen Reiches angedeutet: Königsberg, Posen, Breslau, Graudenz, Thorn. Der Künstler erwartete wohl, daß sie standhalten würden in Flut der russischen Armeen, die immer noch bedrohlich im östlichen Ostpreußen und an der Ostgrenzen Schlesiens standen. In einigen von ihnen war zeitweise auch das deutsche Armeeoberkommando stationiert, so in Breslau und in Posen.


Abb. 4: Kosaken - Mordbrenner in Ostpreußen (1914)

In späteren Varianten dieser Postkarte aus Abbildung 1 ist der russische Bär schon durch zahlreiche Lanzen blutig zur Strecke gebracht. Der in der Mitte stehende Hindenburg ähnelt nun auch schon deutlich mehr jenem alten Hindenburg, der er tatsächlich war. 

Die Postkarte in Abbildung 3 bezieht sich auf die "Schlacht um Lodz" (Wiki), die zwischen dem 11. November und dem 5. Dezember 1914 stattfand. Die Künstlersignatur unten rechts ist schwer entzifferbar.

In Abbildung 4 findet sich eine bunt bedruckte Blechdose. Die darauf abgebildeten russischen Kosaken sind jene "Mordbrenner", von denen Ludendorff Ostpreußen mit seiner Schlacht von Tannenberg wieder befreite.

In den frühen Produktionen zur Ludendorff-Verehrung Ende 1914, Anfang 1915 wird Erich Ludendorff häufig irrtümlich der Adelstitel zugesprochen. Seine Mutter stammte zwar aus der Berliner Familie von Tempelhoff. Aber sein Vater trug nur den bürgerlichen Namen Ludendorff.

1915 - "Nach der Großen Winterschlacht" 

Abb. 5: Hindenburg und Ludendorff nach der großen Winterschlacht, 1915

Die Postkarte der Abbildung 5 ist, wie der Rückseite zu entnehmen ist, Teil einer vierteiligen Serie mit dem Titel "Das Hindenburg-Geheimnis". Die hier vorliegende ist die vierte mit dem Titel: "Hindenburg und Ludendorff nach der großen Winterschlacht". Bei dem Schloß im Hintergrund handelt es sich wohl um das Schloß von Lötzen (?) in Ostpreußen.


Abb. 6: Herbert Rothgaengel - Nach der Winterschlacht in Masuren, Februar 1915

Abbildung 6 zeigt Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff im offenen Automobil sitzend nach der Winterschlacht in Masuren umjubelt von Soldaten. Künstler ist Herbert Rothgaengel, der 1919 noch das eindrucksvolle Werk "Ludendorff und Hindenburg vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß" schuf (Stud. Nat. 01/2012). Ein weiteres Beispiel ist eine Illustration von Alfred Liebing in "Leipzig Illustrirte Zeitung", 1915 vom Empfang von Friedrich II., dem Großherzog von Baden, durch Hindenburg und Ludendorff auf dem Bahnhof Lötzen (Alamy).

Sommer 1915 - "So stürmt bis Warschau man heran"

Abb. 7: Die Ostwacht (1916)

Auf einer Postkarte des Jahres 1915 (bzw. 1916) wurde folgendes Gedicht verbreitet (Abb. 7):

Die Ostwacht
Dem Hindenburg sein' rechte Hand
Ist Ludendorff, wie uns bekannt,
Dess' Kriegsführung als große Kunst
Erwarb die allerhöchste Gunst.

Der Ludendorffsche Feldzugsplan
Hat es den Russen angetan;
Er zwang sie immer dort zur Schlacht;
Wo Vorteil man für uns erdacht.

So stürmt bis Warschau man heran,
Zog langsam sich zurück alsdann;
Damit der Russ' bis dorthin ging,
Wo tausendweise man ihn fing.

Ein' bessern Chef des Stabs als er
Find' Hindenburg so leicht nicht mehr;
Drum sei ganz Deutschland jederzeit
Dem Ludendorff zu Dank bereit.

P. Rößler.

Der hier erwähnte Vorstoß bis Warschau bezog sich auf die Bug-Offensive (Wiki) des Sommers 1915. Die Postkarte stammt aus einer Serie mit dem Titel  "Erinnerung an große Zeit". Der Maler ist der in Slawonien geborenen Genre- und Porträtmaler Toni Áron (1859-1920) (a). Er ist offenbar jüdischer Herkunft. Eines seiner gelungeren Werke war "Die schöne Coletta" (a) von 1885.

1915 - Umjubelt von siegreichen Soldaten

Der Münchner Karikaturist und Illustrator Ernst Schlemo (1869-?) hat schon um die Jahrhundertwende heitere Karikaturen veröffentlicht im Stil des "Simplizissimus" und sich darin über den "preußischen Militarismus" lustig gemacht. Ansonsten hat er "lustige Szenen" aus dem bayerischen Volksleben illustriert, zum Teil äußerst flach und derbe, bzw. auch sehr anzüglich.

Abb. 8: von Mackensen, von Hindenburg und Erich Ludendorff zu Pferde, umjubelt von siegreichen Soldaten
Illustration von Ernst Schlemo, 1915
(gelaufen 1.1.1916)

Die wenigen derzeit im Internet erreichbaren Karikaturen und Illustrationen von Ernst Schlemo aus der Zeit des Ersten Weltkrieges machen im Vergleich zu seinem Vorkriegsschaffen den Eindruck des "Geläuterten", sie sind ernst und würdig. So etwa eine Illustration "Kavallerist hilft seinem verwundeten Kameraden vom Schlachtfeld", die sicher der von ihm illustrierten Schrift "Kameraden" von 1916 entnommen ist.

Schlemo stellte Hindenburg und Ludendorff zu Pferde dar. Daß Hindenburg während des Krieges aber nie geritten ist, daß deshalb also auch dieses Gemälde historisch falsch ist, darauf wies Erich Ludendorff 1919 den Schriftsteller Paul Lindenberg hin (siehe unten).

Am 19. August 1915 besichtigte Kaiser Wilhelm II. die kurz zuvor eroberte russische Festung Nowo-Georgiewsk. Bei diesem Frontbesuch anwesend zu sein, wurde auch Ludendorff und Hindenburg befohlen.

Abb. 9: Postkarte "General Ludendorff nach Originalaufnahme von N. Perscheid" (zu dem Fotografen Perscheid vergleiche einen anderen Blogartikel)

Auch gibt es eine scharfe politische Karikatur aus dem Jahr 1914 von Ernst Schlemo, in der ein dicker hässlicher englischer Gentleman, umgeben von Totenköpfen und Geldsäcken, gegürtet mit "Dumdum"-Geschossen, die Bibel in der Hand auf "Humanität!", "Völkerrechte!" und "Freiheit!" herum trampelt, während hinter ihm die "Wahrheit" an einen Pfahl gefesselt ist. So sah man damals in Deutschland die Heuchelei und Geldgier des Kriegsgegners England. 


Abb. 10: "Generalleutnant von Ludendorff", 1915

19. August 1915 - Die Einnahme von Nowo-Georgiewsk

Am 19. August 1915 wurde eine der letzten Gürtelfestungen der Weltgeschichte nördlich von Warschau von den Deutschen eingenommen nachdem sie mit schwerer Artillerie sturmreif geschossen war. Über die Belagerung von Nowo-Georgiewsk gibt es auch einen eigenen Wikipedia-Artikel (Wiki). Kaiser Wilhelm II. war nach der Einnahme gleich zur Stelle und befahlt auch Hindenburg und Ludendorff dorthin. Von diesem Geschehen hat der Kriegsmaler Ernst Zimmer ein Gemälde geschaffen.

Abb. 11: Ernst Zimmer: "Der Kaiser verleiht den Helden von Nowo-Georgiewsk das Eiserne Kreuz" (19. August 1915)

Der Kaiser telegrafierte damals an den Reichskanzler Bethmann-Hollweg:

Dank dem gnädigen Beistand Gottes und der bewährten Führung des Eroberers von Antwerpen, Generals v. Beseler, sowie der heldenhaften Tapferkeit unserer prächtigen Truppen und der vortrefflichen deutschen und österreichisch-ungarischen Belagerungsarmee ist die stärkste und modernste russische Festung, Nowo-Georgiewsk, unser. Tief ergriffen habe ich eben Meinen braven Truppen Meinen Dank ausgesprochen, sie waren in prachtvoller Stimmung. Eiserne Kreuze ausgeteilt. Alles Landwehr und Landsturm. Es ist eine der schönsten Waffentaten der Armee. Die Zitadelle brennt, lange Kolonnen Gefangener begegneten Mir auf Hin- und Rückfahrt. Dörfer meist von Russen auf Rückzug total zerstört. Es war ein erhabener Tag, für den ich in Demut Gott danke.

Erich Ludendorff dachte, wie in unserem Blogbeitrag über das Jahr 1915 dargestellt, über dieses zwar - äußerlich erfolgreiche - militärische "Wursteln" der zweiten Obersten Heeresleitung anders. Er sah nur, dass die russische Armee durch solche Erfolge eben immer noch nicht vernichtet und Russland immer noch nicht friedenswillig war. Und das angesichts des schweren Ringens mit Frankreich und England an der Westfront. Das Gemälde von Ernst Zimmer findet sich auch auf dem Wikipedia-Artikel "Liste von Gemälden und Grafiken zum Ersten Weltkrieg" (Wiki). Über Ernst Zimmer (1864-1924) ist zu erfahren (AntikBayreuth):

Ernst Zimmer erlangte als Deutscher Schlachtenmaler des 1. Weltkrieges große Berühmtheit.

Seine Bilder muten allerdings ziemlich kitschig an und gehören für uns daher eher in die Kategorie "Kunst, Kitsch und Krempel", eine Kategorie, die aber nichtsdestotrotz für die öffentliche Wahrnehmung Erich Ludendorffs von Seiten der Zeitgenossen nicht vernachlässigt werden darf. Zumal für historische Vorgänge, von denen es sonst nur wenig überlieferte Fotografien zu geben scheint.

Die Szene wurde außerdem von dem Münchner Militärmaler Anton Hoffmann (1863-1938) (WikiGermanArtGallery) festgehalten.


Abb. 12: Prof. Anton Hoffmann - "Der Kaiser in Nowo-Georgiewsk"

Da im Sommer 1915 nicht - wie Ludendorff geplant hatte - ein entscheidender Schlag gegen Russland geführt wurde, sondern die russischen Armeen nur auf breiter Front zurück gedrängt wurden, war für Ludendorff die Einnahme von Nowo-Georgiewsk nur von untergeordneter Bedeutung. In der Öffentlichkeit hingegen erregte sie großes Aufsehen.

September 1915 - Eroberung Wilnas

Abb. 13: "Wilna erobert am 19. September 1915", zeitgenössische Postkarte

In einer zeitgenössischen Postkarte wird der Eroberung Wilnas durch die deutschen Truppen am 19. September 1915 gedacht. Als verantwortliche Heerführer werden abgebildet, eingebettet in Eichlaub: Erich Ludendorff und Paul von Hindenburg in der Mitte, umgeben von fünf Generälen: ???, von Scholtz, Litzmann, Hermann von Eichhorn, v. Gallwitz.


Abb. 14: Hindenburg und Ludendorff begrüßen einen Besucher ihres Hauptquartiers - wohl einen deutschen Landesfürsten - auf dem Bahnhof in Lötzen (Künstler: Liebing)

Von Begrüßungsszenen auf dem Bahnhof in Lötzen haben sich auch viele Fotografien erhalten.

Abb. 15: "Nach dem Originalgemälde des Hofmalers Artur Fischer, Berlin" ("Aus großer Zeit", Kunstblätter) (Postkarte)

Abbildung 15 ist die Postkarten-Reproduktion eines Gemäldes von Arthur Fischer (1872-1948) (Wiki). Zu sehen sind von rechts nach links Kaiser Wilhelm II., Hindenburg und Ludendorff zu Pferde, ganz links Mackensen. Daß Hindenburg während des Krieges nie geritten ist, dieses Gemälde also historisch falsch ist, darauf wies Erich Ludendorff 1919 den Schriftsteller Paul Lindenberg hin (siehe unten).


Abb. 16: H. Ulmer - Ludendorff ("Wir machen's.") Postkarte aus dem Jahr 1915

Von dem Künstler H. Ulmer gibt es ähnliche Postkarten von dem Kronprinzen Rupprecht von Bayern, von Tirpitz, Mackensen, Kluck, Bülow, Herzog Albrecht, Erzherzog Friedrich, Zeppelin.

Abb. 17: Künstler und Jahr unbekannt (wohl 1915)
Ab Mitte März 1915 - In Lötzen

Abb. 18: Tafelrunde in Lötzen - Arnold Busch - 1916

Die Zeichnung in Abbildung 18 stammt von dem niedersächsischen Maler und Zeichner Arnold Busch (1876-1951) (Wiki). Über ihn heißt es auf Wikipedia:

1901 erhielt er einen Lehrauftrag an der Königlichen Kunst- und Gewerbeschule in Breslau, die ihm 1912 den Professorentitel verlieh. Im Januar 1915 wurde er zum Armee-Oberkommando als Kriegsmaler abkommandiert. Die folgenden drei Jahre verbrachte er hauptsächlich an der Ostfront in verschiedenen Stabsquartieren. Die Briefe, die er in dieser Zeit an seine Frau in Breslau schrieb, werden in der Stuttgarter Bibliothek für Zeitgeschichte aufbewahrt. 1918 kaufte er ein Haus in Falkenhain in der Nähe von Altheide-Bad.

Das liegt im Grazer Ländchen in Schlesien. Weiter:

Dort lebte er mit seiner Familie bis 1946. Nach der Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg mußte er das Haus in Falkenhain verlassen. Er zog nach Cismar, in der Nähe des Ostseebades Grömitz an der Küste der Lübecker Bucht, wo er 1951 starb.  Busch malte überwiegend Landschaften und Porträts (z. B. Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff (1916) und Joseph Goebbels (1937)) und er beteiligte sich an zahlreichen Ausstellungen in Breslau, Berlin, Hamburg, Dortmund und Wien. Er war außerdem Mitglied des Künstlerbundes Schlesien bis zu dessen Auflösung 1936.

In Abb. 18 ist rechts vorne - wohl - Erich Ludendorff dargestellt. Dahinter Max Hoffmann. Ganz links Hindenburg. Von dieser oder einer ähnlichen Szene gibt es auch mindestens eine Fotografie. Diese abendlichen Gesprächsrunden hatten sich schon im November 1914 im Königlichen Schloß in Posen herausgebildet. Erich Ludendorff berichtet darüber (7, S. 87):

Im Schloß zu Posen entwickelte sich beim Stab ein harmonisches Leben, wir waren zusammengeschweißt durch gemeinsam getragene Sorgen, wie durch gemeinsam erworbenen Ruhm. Es bildete sich die Gewohnheit heraus, daß wir nach dem Abendessen noch eine Zeitlang zusammenblieben. Wir saßen dann um einen runden Tisch, auf dem eine Fächerpalme stand, ein Geschenk Ihrer Majestät, unserer Kaiserin, einer wahrhaft deutschen Frau, deren ich stets in tiefster Verehrung gedenke. Für mich war die kurze Stunde eine Zeit der Ruhe in der fast erdrückenden Arbeit dieser vier Kriegsmonate.


Abb. 19: Die Wacht im Osten

Während des Ersten Weltkrieges war das "Dioskuren-Paar" Ludendorff und Hindenburg zunächst "Die Wacht im Osten". Also solche sind beide in vielen Abbildungen dargestellt worden.

Abb. 20: Hindenburg und Ludendorff, 1916

Die Zeichnung aus Abbildung 20 stammt von einem E. Fröhlich. Es gibt sie auch in kolorierter Fassung (Abb. 21).


Abb. 21: Hindenburg und Ludendorff


Abb. 22: Continental-Kautschuk-Werke Hannover

Angaben zu dem Künstler von Abbildung 22 sind nicht bekannt, ebenso wenig zum Zeitpunkt der Entstehung.

Nach dem 30. August 1916

Am 30. August 1916 wurden Hindenburg und Ludendorff in die Oberste Heeresleitung berufen, letzterer mit dem Titel "Erster Generalquartiermeister".


Abb.: Arnold Busch
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Abb. 23: "General der Infanterie Ludendorff, der neuernannte Erste Generalquartiermeister - Zeichnung von Prof. Arnold Busch, Hauptquartier Ost, April 1916

"Der neuernannte Erste Generalquartiermeister" wurde eine Portrait-Zeichnung Ludendorffs im Herbst 1916 untertitelt, die von Arnold Busch stammt. Darüber schreibt Johannes Ziganek-Gaviria (Dorotheum):

Vorliegende Komposition steht im Zusammenhang mit einem Ludendorff Portrait, welches unter dem Titel "Aus der Reihe Bildnisse aus dem Großen Kiege" im Verlag der Photographischen Gesellschaft, Berlin-Charlottenburg in der Zwischenkriegszeit erschien. Busch arbeitete 1916 im Hauptquartier Ost als Kriegsmaler und portraitierte alle wichtigen Kommandanten der Kaiserlichen Armee im 1. Weltkrieg.
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Abb. 24: A. Jarosy - Hindenburg, der Kaiser und Ludendorff in Pleß (Blatt aus einer Zeitschrift)
nach einer Fotografie vom 8.1.1917

J. Jarosy war ein Buchillustrator ("Der Bürgermeister von Lübeck", 1910) und Porträtmaler. Von ihm gibt es auch eine Illustration "Winterschlacht".


Abb. 25: "Hindenburg und Ludendorff im Großen Hauptquartier", Künstler unbekannt (Blatt aus einer Zeitschrift)
...

Abb. 26: Erich Ludendorff (Postkarte, gelaufen im Februar 1917)
...

Aus dem Kriegsjahr 1918

Abb. 27: Oscar Gehring - Erich Ludendorff, 1918

Von dem Zeichner Oscar Gehrig (1890-1948) (Wiki) gibt es ein Hindenburg-Portrait aus dem Jahr 1917 und ein ähnlich gestaltetes Ludendorff-Porträt aus dem Jahr 1918 (Abb. 27). Gehring ist in späteren Jahren mehr als Zeichenlehrer und Kunsthistoriker denn als Künstler tätig gewesen.


Werbemarken

Abb. 28: Reklamemarke

Während des Ersten Weltkrieges fand sich das Konterfei Ludendorffs auch auf Reklame- und Werbemarken (Abb. 28 und 29).


Abb. 29: Werbemarke
August 1918 - Ludendorff in der britischen Kriegspropaganda

Erich Ludendorff fand mitunter auch Behandlung in der britischen Kriegspropaganda.

Abb. 30: Karikatur im "Punch" vom 21. August 1918

Der 8. August 1918 war für ihn der "schwarze Tag des deutschen Heeres", seit dem er nicht mehr mit einem deutschen Sieg in diesem Krieg rechnete. Die Karikatur erschien am 21. August 1918 im britischen "Punch" unter dem Titel "Vergnüglichkeiten des Oberkommandos". Sie spielt auf die riesige volkstümliche Holzfigur an, die vor dem Deutschen Reichstag in Berlin aufgestellt worden war, und in die man für Geld Nägel einschlagen konnte. Sie ist im Blick aus dem Fenster zu sehen (und war ja tatsächlich aus dem Generalstabsgebäude heraus zu sehen, wenn auch aus einem spiegelverkehrten Blickwinkel). Ludendorff fragt:

Wie geht es dem "Eisernen Hindenburg"? Sind seit unserem letzten Sieg neue Nägel eingeschlagen worden?

Hindenburg antwortet:

Mein lieber Freund, das Verdienst dafür gebe ich gerne dir. Deine Freunde sagen immer, daß ich mein Gehirn von dir habe!

Gemeint ist also: Jetzt wo es mehr Niederlagen als Siege zu verzeichnen gibt, schiebt Hindenburg die Verantwortung dafür gerne auf Ludendorff. Natürlich war auch auf der Gegenseite den kundigeren Menschen bekannt, daß Hindenburg seit 1914 nur seinen Namen gegeben hatte für die militärischen Erfolge, die allein auf das Konto von Erich Ludendorff gingen. Eine solche Verschiebung der Verantwortlichkeit sollte tatsächlich knapp zweieinhalb Monate geschehen. Am 30. Oktober 1918 wurde Erich Ludendorff in Schloß Bellevue in Berlin von Kaiser entlassen. Hindenburg bat nicht um seinen Abschied wie es Ludendorff erwartet hatte. Der Kaiser sah in Ludendorff das Haupthindernis für den Friedensschluß.

29. April 1919 - "Historisch unrichtig" - Im Krieg nie geritten

Der Kriegsberichterstatter und Schriftsteller Paul Lindenberg (1859-1943) (Wiki) besuchte am 29. April 1919 Ludendorff in Berlin und berichtet darüber in seinen Lebenserinnerungen (8, S. 196f):

Ich gebe Ludendorff einige meiner Kriegsschriften und die in großer Auflage erschienene Erzählung "Unter Hindenburgs Fahnen". Ludendorff weist auf den farbigen Umschlag hin, der Hindenburg und ihn hoch zu Roß zeigt: "Das ist historisch unrichtig. Hindenburg ist während des ganzen Feldzuges nie aufs Pferd gestiegen, ich nur sehr selten, wir machten alle Fahrten mit dem Auto."

Von dem Militärmaler Carl Röchling (1855-1920) (Wiki), der dieses Bild gemalt hat (9), ist bis heute bekannt geblieben sein Gemälde "The Germans to the Front" aus dem Jahr 1900. Das Bild, von dem hier die Rede ist, ist allerdings im Internet derzeit nicht zugänglich. Aber in diesem Beitrag finden sich ja mehrere Abbildungen, auf denen Hindenburg und Ludendorff zu Pferde dargestellt waren, etwa oben auch von Hofmaler Arthur Fischer (1872-1948). Wahrscheinlich waren die Hof- und Kriegsmaler es aus der Vorkriegszeit einfach so gewohnt, Soldaten zu Pferde darzustellen und malten in Kriegszeiten einfach so weiter.

Im Hitler-Ludendorff-Prozeß (Frühjahr 1924)


Abb. 31: Erich Ludendorff vor dem Gerichtshof in München, Frühjahr 1924
(Herkunft: HLB [10])

Eine Bleistiftzeichnung, entstanden während einer Rede Erich Ludendorffs vor dem Gericht in München während des Hitler-Ludendorff-Prozesses im Frühjahr 1924 stammt von Otto D. Franz (1871-1963) (Würzburg-WikiArt-Net).

1924 - "Mein Herz schlägt in heißer Sehnsucht für die Freiheit des ganzen Volkes"

Nach dem Jahr 1918 ändert sich die Aussage der der Ludendorff-Verehrung gewidmeten künstlerischen und kunsthandwerklichen Produktionen natürlich beträchtlich.

 
Abb. 32: Spruchpostkarte, 1924/25, Verlag Gladsheim, Dresden

Auf einer in Dresden hergestellten Spruch-Postkarte aus den Jahren 1924/25 (Abbildung 31) wurden Worte Erich Ludendorffs aus seiner Verteidigungsrede vor dem Volksgerichtshof in München am 29. Februar 1924 zitiert (2, S. 111; 3, S. 270). Diese Spruch-Postkarte erschien in der Zeit, als Erich Ludendorff als Reichstagsabgeordneter tätig war.

1928 wurde das Ludendorff-Portrait eines A. Bollinger veröffentlicht (s. Fotoarchiv der Süddeutschen Zeitung):

German general Erich Ludendorff (1865-1937), important german figure of ww1, painting by A. Bollinger, 1928.

1934/35 - Harald Rother

Abb. 33: Harald Rother - Zeichnung, 8. Juni 1934

Aus den Jahren 1934 und 1935 finden sich Portrait-Zeichnungen eines Harald Rother (Herkunft: Ebay, Dezember 2014). Da die erste auf den Tag genau datiert ist, könnte zumindest sie nach dem Leben entstanden sein.

Abb. 34: Harald Rother - Zeichnung, 1935

Über die Person Harald Rother ist einstweilen im Internet nichts weiter zu erfahren, auch nicht auf Google Bücher.

Abb. 35: Portraitbüste Ludendorffs, Künstlersignatur: "Sorges 4.1942"

Eine Porträtbüste Erich Ludendorffs besitzt die Künstlersignatur "Sorges 4.1942". Weiter Angaben sind zunächst nicht zu erhalten. Beschreibung: Portraitkopf Erich Ludendorffs - Gipsmasse mit grün-grauer, bronzeartiger Farbfassung. Auf der Rückseite geritzte Künstlersignatur und Datierung "Sorges 4.1942". Auf rechteckigem Sockel. An der Plinthe kleine, restaurierte Absplitterung. Höhe mit Sockel 48, 5 cm. Interessante Kriegsarbeit für die keine Bronze mehr verwendet werden durfte."

Soweit man es versteht, stand diese Portraitbüste bei Hermann Historica zum Verkauf.

- - - Fortsetzungen dieses Beitrages finden sich in den Beiträgen:
und

Ergänzungen: 17.9.15, 
um den Abschnitt, der sich 
auf Literaturangabe 6 bezieht;
17.8.2021 /
_________________________
  1. von Hoegen, Jesko: Der Held von Tannenberg. Genese und Funktion des Hindenburg-Mythos (1914 - 1934). Böhlau, 2007 (Google Bücher)
  2. Ludendorff, General: Auf dem Weg zur Feldherrnhalle. Lebenserinnerungen an die Zeit des 9. 11. 1923 mit Dokumenten in 5 Anlagen. Ludendorffs Verlag, München 1937 (1. - 54. Tsd.) (156 S.); mit Dokumenten in 6 Anlagen. 1938 (55. - 64. Tsd.) (174 S.). Faksimile-Druck der Ausgabe von 1937 in: Archiv-Edition, Verlag für ganzheitliche Forschung, Viöl 1996
  3. Ludendorff, General: Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volksschöpfung. Meine Lebenserinnerungen von 1919 bis 1925. Ludendorffs Verlag, München 1940 (12. - 16. Tausend)
  4. Pyta, Wolfram: Paul von Hindenburg als charismatischer Führer der deutschen Nation. In: Frank Möller (Hg.): Charismatische Führer der deutschen Nation, S. 109 - 147 (Google Bücher)
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  6. Breitenborn, Konrad: Bismarck. Kult und Kitsch um den Reichsgründer. Aus den Beständen des früheren Bismarck-Museums in Schönhausen (Elbe) und dem Archiv der ehemaligen Stendaler Bismarck-Gesellschaft. Reprintverlag im Zentralantiquariat der DDR, Leipzig 1990 
  7. Ludendorff, Erich: Meine Kriegserinnerungen 1914 - 1918. Verlag Mittler & Sohn, Berlin 1919
  8. Lindenberg, Paul: Es lohnte sich, gelebt zu haben. Erinnerungen. Vorhut-Verlag Otto Schlegel, Berlin 1941 (370 S.) (GB
  9. Lindenberg, Paul: Unter Hindenburgs siegreichen Fahnen. Erzählung aus dem Weltkrieg 1914/15. Mit mehrfarbigem Umschlagbild von C. Röchling und Innenbildern von Willy Werner und A. Roloff Person. Paul Schreiter Verlag, Berlin [1918] (269 S.)  
  10. Hans-Joachim Hecker, Hitler-Ludendorff-Prozess, 1924, publiziert am 12.04.2017, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Hitler-Ludendorff-Prozess,_1924> (29.01.2018)

Donnerstag, 7. März 2013

Die "Kurfürstenstraße 112, Ecke Keithstraße" im Leben Erich Ludendorffs

Ein Wohnort Erich Ludendorffs in Berlin zwischen 1914 und 1918

Jüngst sind hier auf dem Blog in einem Beitrag zugängliche Zeugnisse zum Leben Erich Ludendorffs rund um seine erste Ehe zusammengetragen worden (1). Während des Ersten Weltkrieges wohnte seine Frau in Berlin in einer Pension Tscheuschner in der Kurfürstenstraße 112, Ecke Keithstraße. Und wenn Ludendorff in Berlin weilte, wohnte er auch hier und lud hierhin auch den Führer der nationalliberalen Partei zu politischen Gesprächen ein (1). Zu diesem Wohnort sollen hier noch einige Angaben zusammengetragen werden (Wiki a, b), die zu speziell sind und deshalb nicht alle in den Rahmen des vorgenannten Artikels passen. 

Es war das ein Wohnort der damaligen "oberen Zehntausend" Berlins. Die Gegend in Tiergartennähe wurde als eine Verlängerung des Kurfürstendamms empfunden.

Abb. 1: Pension Tscheuschner, Kurfürstenstraße 112, Berlin (1909)
Es kann das verdeutlicht werden anhand von anderen Angehörigen der "oberen Zehntausend", die vor 1945 in der Nähe wohnten oder arbeiteten. Nur wenige Häuser weiter in der Keithstraße Richtung Süden (Nr. 8) wohnte - wohl ab 1926 - der katholische Ministerialdirektor im Innenministerium Erich Klausener (1885 - 1934). Er ist 1934 ein Opfer der "Röhm-Morde" geworden. Am Ende der Keithstraße nach Norden gegenüber der dortigen Corneliusbrücke über den Landwehrkanal und Richtung Tiergarten stand das Elternhaus des Schriftstellers Stephan Hermlin. In seiner Erzählung "Corneliusbrücke" schildert Hermlin diese Wohngegend seiner Kindheit als eine sehr ruhige, beschauliche. Man hörte die Glocken der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und das Vögelgezwitscher des Landwehrkanals und des nahen Tiergartens.

Abb. 2: Blick von Kurfürstenstraße 112 auf eines der wenigen ursprünglicher erhaltenen Häuser der Keithstraße
Zwei Häuser weiter in der Kurfürstenstraße 115/116 Richtung Osten befand sich ab 1940 der Arbeitsort von Adolf Eichmann im Judenreferat des Reichssicherheitshauptamtes (a). Nur kurz um die Ecke nach Süden in dem heutigen Gewerkschaftshaus mit Blick auf das "Kaufhaus des Westens" (Kleiststraße 19 - 21) wohnte von 1911 bis 1930 Georg Bernhard (1875 - 1944), der Leiter der einflußreichen "Vossischen Zeitung". Ab 1933 leitete er die Exilzeitungen "Pariser Tageblatt", bzw. "Pariser Tageszeitung", die in dieser Zeit häufiger über Erich Ludendorff berichteten.

Abb. 3: Häuserzeile der Keithstraße (Richtung Norden und Kurfürstenstraße), an deren Ende sich vormals die Pension Tscheuschner befand. In dem Haus vorne wohnte Erich Klausener.
Von den vormaligen Wohnhäusern von Georg Bernhard und Erich Klausener liegt heute in Sichtweite entfernt auch die "Urania".

Abb. 4: Ein früheres Nachbarhaus der Pension Tscheuschner - Kurfürstenstraße 114 (Wiki)
Auch heute gibt es in dieser Gegend viele Hotels und Pensionen. Aufgrund des starken Durchgangsverkehrs und der modernen, nüchternen Bebauung wird die vormalige großbürgerliche Ruhe und Beschaulichkeit aber heute höchstens noch an frühen Sonntagvormittagen nachempfunden werden können. Diese Gegend hat während und nach dem Zweiten Weltkrieg viel von ihrer ursprünglichen Bausubstanz eingebüßt. Wie überwiegend auch sonst in dieser Gegend steht - in schreiendem Gegensatz zur früheren Bebauung - an der Stelle der vormaligen vierstöckigen Pension Tscheuschner heute ein achtstöckiger Wohn- und Büroblock (Abbildung 5).

Abb. 5: Kurfürstenstraße 112 - Hier stand vormals die Pension Tscheuschner
Die "Aussicht von der Pension" links auf der Ansichtskarte von 1909 (Abbildung 1) könnte die nach Norden in die Keithstraße hinein und Richtung Landwehrkanal und Tiergarten sein.*) Von hier waren es quer durch den Tiergarten (a) drei Kilometer Fußweg zum Generalstabsgebäude am Königsplatz. Zum Schloß Bellevue, wo es Besprechungen gab und wo Erich Ludendorff am 26. Oktober 1918 von Kaiser Wilhelm II. entlassen worden ist, sind es sogar nur zwei Kilometer.

Die Erzählung "Corneliusbrücke" von Stephan Hermlin

Wie schon erwähnt, befand sich auch das Elternhaus des Schriftstellers Stephan Hermlin (1915 – 1997) zu jener Zeit - oder wenig später - 500 Meter weit von dieser Pension entfernt am Ende der Keithstraße Richtung Norden, wo sie mit der Budapester Straße in einem spitzen Winkel zusammentrifft. Dies ist ein Umstand, den der antifaschistische Schriftsteller jüdischer Herkunft 1968 in seiner Erzählung "Corneliusbrücke" verarbeitet hat (2, 3). Sein Elternhaus blickte nach dieser Erzählung direkt auf diese Corneliusbrücke über den Landwehrkanal und lag in der Budapester Straße 1. Hermlin schreibt von der
langen, mächtigen Straße, 
der
Budapester Straße, die damals noch zum Kurfürstendamm gehörte.
Er lokalisiert in seiner Erzählung die Pension Ludendorffs nun "gegenüber" dieses Hauses, nämlich Budapester Straße, Ecke Katharina-Heinroth-Ufer. Dies beruhte entweder auf einem Irrtum oder auf sehr "dichterischer Freiheit" dieses Autors. Denn die Pension Erich Ludendorffs in der Kurfürstentraße 112, Ecke Keithstraße lag von der Corneliusbrücke 500 Meter weit entfernt und damit keineswegs "gegenüber". Mit dieser "dichterischen Freiheit" schreibt Hermlin nun:
Das Haus, von dem ich zu General Ludendorff hinübersehe, ist das letzte auf der rechten Seite der langen mächtigen Straße, die an dem weitesten nördlich gelegenen Punkt des Hauses einen spitzen Winkel mit der Keithstraße bildet. Nach links und nach rechts geht den Kanal entlang, das stille, von alten Bäumen und Buschwerk bestandene Lützowufer ab, an dem man spazierengehen oder träumen oder etwas verbergen kann.
In diesen Worten deutet sich wie in anderen der Erzählung jene ganz andere Atmosophäre dieser Wohngegend an, als sie heute besteht. Hermlin weiter:
Wenn man von unserem Hause aus nach der anderen Seite die Straße hinabblickt, in die Richtung der Gedächtniskirche, von der her jeden Abend ein wildes, vielstimmiges Geläut dröhnt, weiß man, daß an der nächsten Ecke die Wichmannstraße liegt, dann die Nürnberger, dann die Kurfürstenstraße. Da unten liegt auch das Eden-Hotel, zweihundert, vielleicht dreihundert Meter entfernt.
- Nun, genauer gesagt lag es 600 Meter von seinem Elternhaus entfernt (am heutigen Olof-Palme-Platz - auffallenderweise benannt nach einem ermordeten Sozialdemokraten!).

Die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht (Januar 1919)

Im Hotel Eden hatte die Garde-Kavallerie-Schützen-Divsion am 15. Januar 1919 ihr Stabsquartier während der Niederschlagung der Spartakus-Aufstände (a, b, c, d). Und hier wurden die in Wilmersdorf festgenommenen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg vor ihrer Ermordung vernommen. Von den Autos mit den Mordopfern Liebknecht und Luxemburg schreibt Hermlin nun entsprechend seiner falschen Lokalisierung der Pension Ludendorffs an die Ecke von Budapester Straße und Katharina-Heinroth-Ufer:
Die beiden Autos fahren ziemlich langsam vorbei, das eine geradeaus über die Brücke in den Tiergarten hinein; das andere biegt nach links um die Ecke, an der General Ludendorff wohnt.
Erich Ludendorff wohnte zwischen dem 15. November und Mitte Februar jedoch in Schweden (4, S. 377f). Wer aber in der Nähe weilte und von Stephan Hermlin keineswegs so deutlich hervorgehoben wird, wie es höchstwahrscheinlich notwendig wäre, war der astrologiegläubige, langjährige Geheimdienstchef Wilhelm Canaris (1887 - 1945), der mit einer Anthroposophin verheiratet war, und der die Mörder im nachmaligen Gerichtsverfahren wirkungsvoll schützen sollte. Der 1936 den Auslandseinsatz der deutschen Wehrmacht im Spanischen Bürgerkrieg wirksam in die Wege leiten und mehrmals verlängern sollte, und der noch mancherlei weitere spannungsverstärkende, kriegsverlängernde, anstatt -verkürzende Tätigkeiten danach entfalten sollte, dabei immer zweigleisig fahrend auch eine "Nach-Hitler-Regierung" unter seiner Hand bereit haltend. (Übrigens: Parallelen zu extremistischen Mordtaten, Wiederaufrüstung und Auslandseinsätzen, wiederum unter mancherlei Mitwirkung von deutschen Geheimdiensten nach 1945 können wirklich nur rein zufälliger Natur sein ... Wirklich. Denn es gibt ja heute keine ariosophisch angehauchten satanistischen Okkultlogen mehr in Deutschland - - - ?)

Abb. 6: Eden Hotel, Budapester Straße
Interessant ist jedenfalls, daß Philipp Scheidemann - so von Stephan Hermlin zitiert - gewissermaßen Verständnis für die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg äußerte. Beide wurden von ihm gewissermaßen - in heutiger Wortwahl - als "Anstifter einer terroristischen Vereinigung" beurteilt, von denen womöglich er selbst, Philipp Scheidemann, sein Leben bedroht gefühlt hatte. Der Sozialdemokrat August Winning berichtet ebenfalls von einem Gespräch mit Rosa Luxemburg in der Zeit vor 1914, in dem sie ihm "freundlichst" mitgeteilt hatte, daß sie ihn als einen der ersten an die Wand stellen würde, wenn sie an die Macht käme, da er zu konservativ wäre. Derartige Einstellungen gehen auch aus anderen Zitaten von Rosa Luxemburg hervor:
Wer sich dem Sturmwagen der sozialistischen Revolution entgegenstellt, wird mit zertrümmerten Gliedern am Boden liegenbleiben.
Ein Schuh Rosa Luxemburgs - "Auf daß erfüllt würde die Schrift"

Da es manche Hinweise dafür gibt, daß Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg - wie andere bedeutende Morde der damaligen Zeit - aufgrund von Logenurteilen im freimaurerähnlichen Thule-Orden ermordet worden sind, läßt auch die Angabe des offenbar bibelkundigen Stephan Hermlin aufhorchen in seiner Erzählung "Corneliusbrücke" über einen von Rosa Luxemburg im Hotel Eden verlorenen Schuh:
Einen Schuh der Frau findet der Soldat Becker auf dem Trottoir und behält ihn als Trophäe. Auf daß erfüllt würde die Schrift.
Der zweite Satz ist kursiv gesetzt und steht an dieser Stelle in der Erzählung ganz unvermittelt als Ende eines Abschnitts. Sonst finden sich in der ganzen Erzählung keine Andeutungen von Bezugnahmen auf die Bibel. Tatsächlich haben nun jedoch Schuhe mancherlei Bedeutung innerhalb der Bibel, bzw. des Alten Testaments. Etwa bei "Besitzergreifungen". Da wird auf denjenigen der Schuh geworfen, der unterworfen, enteignet und versklavt wird. Ausgezogene Schuhe haben bekanntlich auch in den Ritualen der Freimaurerei eine Bedeutung. Auch bei dem tödlichen Unfall von Jörg Haider ist ausgerechnet einer seiner Schuhe von den Pressefotographen am Unfallort fotografiert worden (siehe die Bücher von Gerhard Wisnewski "Jörg Haider - Unfall, Mord oder Attentat?" und Guido Grandt "Logenmord Jörg Haider?"). 

Was Stephan Hermlin dem Leser mit diesem Satz sagen will, muß an dieser Stelle vorerst dahingestellt bleiben. Es könnte sich wenn dann wohl nur aus dem Gesamtzusammenhang seines sonstigen Werkes erschließen. Aber womöglich haben wir hiermit einen Hinweis an der Hand, daß auch er zu jenen Schriftstellern gehört, die - "als Herren der Probleme, mit denen die Zeitgenossen sich beschäftigen" - sich "über die Köpfe des Publikums hinweg" "unter Mißachtung des Lesers" mit jenen verständigen, die um ähnliche Dinge wissen wie sie selbst und mit denen sie sich über jene Dinge verständigen, auf die sie hoffen, und in deren Richtung sie wirken - ?

- Übrigens wäre anhand weiterer Quellen zu prüfen, ob Erich Ludendorff im Sommer 1918 in seiner Pension von einer Militärkapelle ein Ständchen dargebracht worden ist. Damit jedenfalls leitet Stephan Hermlin seine Erzählung ein. Er will es als als Dreijähriger miterlebt haben. Oder ob auch dies dichterischer Phantasie entspringt. Wie auch immer: In seiner Erzählung wird - hier nicht ausreichend zitiert - ein wenig von der Ruhe und der Beschaulichkeit dieses Stadtteiles in jener Zeit deutlich.

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*) Der Text der Ansichtskarte scheint sehr belanglos zu sein: ".... anstatt ... hatten wir solch hohen Schnee, wie ich ihn noch nie sah, d. ... schon konnten nicht ... D. Autos blieben stecken, es sah aber sehr hübsch aus. Aber in einer Nacht werden hier alle Trottoirs gesäubert, es wird große ... gesorgt (?). Für paar Tage ... das war sehr nett für mich .... Besorgung unsere Sachen habe ich ja schon gedankt. Sie hatten alles richtig ausgesucht, d. ... ist ... glatt u. hübsch. Grüßen Sie Fr. Ilse ... seien Sie selbst herzl! von uns gegrüßt
Ihre ... Fehlmann (?)"
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  1. Bading, Ingo: Das Familienleben Erich Ludendorffs - Insbesondere rund um seine erste Ehe (1909 - 1925). Studiengruppe Naturalismus, 15.2.2013
  2. Hermlin, Stephan: Corneliusbrücke. Erzählung. 1968
  3. Schlosser, Jan T.: „Falsche“ und „historische“ Wirklichkeit. Stephan Hermlins intertextueller Brückenschlag zu Paul Celan. In: Hjem, Nr. 20 (2006) (pdf)   
  4. Uhle-Wettler, Franz: Erich Ludendorff in seiner Zeit. Soldat, Stratege, Revolutionär. Eine Neubewertung. Verlagsges. Berg, Berg 1995 (Google Bücher)
  5. Nebelin, Manfred: Ludendorff. Diktator im Ersten Weltkrieg. Siedler Verlag, München 2010 
  6. Bading, Ingo: Ludendorffs erste Frau. Ihre Erinnerungen als historische Quelle - beispielhafte Auszüge. Studiengruppe Naturalismus, 13.3.2012
  7. Ludendorff, Margarethe: Als ich Ludendorff's Frau war. Hrsg. von Walther Ziersch. Drei Masken Verlag A.-G., München 1929 (Google Bücher)
  8. Ludendorff, Erich: Meine Kriegserinnerungen 1914-1918. E. S. Mittler und Sohn, 1919, 1921 (Google Bücher
  9. Zechlin, Egmont: Ludendorff im Jahre 1915. Unveröffentlichte Briefe. In: ders.: Krieg und Kriegsrisiko. Düsseldorf 1979
  10. Breucker, Wilhelm: Die Tragik Ludendorffs. Eine kritische Studie auf Grund persönlicher Erinnerungen an den General und seine Zeit. Helmut Rauschenbusch Verlag, Stollhamm (Oldb) 1953 
  11. Bading, Ingo: Ludendorff in Berlin 1919 und 1920 - "Eine schöne Wohnung in der Viktoriastraße, ganz in der Nähe des Tiergartens". Auf: Studiengruppe Naturalismus, 23. Januar 2012

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